21.9.2014

Tränenlos

Hallo Herr Dressel, meine Kindheit ist ein Scherbenhaufen. Ich versuche die einzelnen Teile seit Jahren wieder zusammen zu setzen.


Ich bin als viertes von fünf Kindern zur Welt gekommen. Mein Vater ignorierte mich die erste Zeit, da ER der Meinung war, ich als blondes Kind könne nicht von IHM sein. Wenn IHM mein Babygeschrei nervte, musste mich meine Mutter aus dem Haus tragen. In den kleinen Schuppen bringen. Dort war eine Kiste für mich. Meine Mutter legte mich dort hinein und machte den Deckel zu. Somit störte ich niemanden mehr. Spätestens wenn ich dann blau angelaufen war, holte sie mich wieder raus.
Schon bald merkte mein Vater, dass man auch mit blonden kleinen Mädchen Sachen machen konnte. Er mißbrauchte mich sex. während meiner ersten sieben Lebensjahre. Meine Mutter sagt, sie habe nichts davon bemerkt.
ER war sehr brutal. ER schlug meine Mutter und uns Kinder. Teller und Fenster, Möbel und Spiegel, alles ging zu Bruch.
Meine Mutter sagt, sie konnte uns Kinder damals nicht vor IHM schützen, da sonst sie alles abgekriegt hätte. Sie hatte gehofft, dass ER zu uns Kindern einfach nicht so brutal wäre, wie zu ihr.
Später, als sie IHN verlassen hatte, war sie so überfordert mit uns, dass sie anfing uns zu mißhandeln.

Hm, mehr kann ich grad nicht schreiben.
tränenlos. Viele Grüße K.W. 

MD: Sie waren Ihrem Vater schon sehr früh eine große Last. Ihrer Mutter war es egal, was Sie erleiden mussten. Stattdessen sperrte sie Sie in eine Kiste ein, bis Sie blau anliefen. Für Sie muss die Welt wie eine Wüste vorgekommen sein, in der ein Űberleben quasi unmöglich ist. In dieser Wüste existierten auch noch gefährlich scharfe Krallen, die Ihnen schrecklich wehtaten. Aus Selbstschutz verkrochen sie sich tief in Ihr Inneres, sodass niemand mehr Notiz von Ihnen nehmen konnte. Was an der Oberfläche von Ihnen übrig blieb, war Ihr angepasstes Alter Ego. In der Folge versetzten Sie sich in eine Art Trancezustand, um das nie endende Martyrium irgendwie durchzustehen. Sie durften nie erkennen, wem die gefährlich scharfen Krallen gehörten. Es war ihr eigener Vater, der Sie als Sexualobjekt benutzte. Er vergewaltigte Sie, wie es ihm beliebte. Als Ihr Vater die Familie verließ, übernahm Ihre Mutter nahtlos dessen Rolle. Sie blieben dazu verdonnert, weiterhin in Ihrem inneren Verlies auszuharren, bis Sie völlig tränenlos wurden.

 

Für mich ist es immer wieder total erschütternd, davon zu hören, wie unbarmherzig grausam Eltern zu den eigenen Kindern sein können und ihre Grausamkeit nicht im Geringsten als eine kaum zu überbietende Schuld wahrnehmen. Darum ist es für Sie immens wichtig, endlich fühlenden Menschen zu begegnen, damit Sie das innere Verlies verlassen. Die fühlenden Menschen werden die Qualen, die Ihnen Ihre Eltern antaten, genau erkennen und Ihnen das geben, was Sie so sehr brauchen: warme zwischenmenschliche Zuwendung, wo Sie Entspannung, Wohlsein, Freude finden und wo Sie Ihre Bedürfnisse bewusst wiedererkennen und sich zu der Person entwickeln dürfen, die Sie schon längst hätten sein können, wenn Sie nicht diese unbarmherzig grausamen Eltern gehabt hätten. Dann sind Sie nicht mehr tränenlos.