7.11.2014

Lieber Herr Dressel,

als Kind war ich permanent geistig überfordert und musste in einer wahnsinns Geschwindigkeit denken lernen um zu überleben. Mein Vater hat mich besessen, ich war sein Eigentum, ich musste nur ihm gehören. Entgegen seiner Brutälität beim Schlagen und Treten war er beim Sexuellen "ein zärtlich, sadistischer Mörder". Ich habe überhaupt keine Ahnung von Sex, außer was dieser Psychopath mir über viele Jahre beigebracht hat. Sogar küssen musste ich ihn. Und wenn er mich gezwungen hatte ihn oral zu befriedigen legte er immer "zärtlich" sein Hände um meinen Hals, die Daumen auf dem Kehlkopf. Den Widerstand den ich dann beim Schlucken fühlte ist schrecklicher als die Hölle. Ich hatte mit 14 meine erste Regel und war voller Panik wegen dem Blut. Obwohl ich aufgeklärt war konnte ich mir dieses Blut nicht erklären. Ich lief zu meiner Mutter ins Geschäft und sagte ihr weinend dass ich da unten blute. Sie grinste und sagte, du hast deine Periode. Dass ich unter Schock stand weil ich ja bei der ersten Vergewaltigung mit 6 Jahren so stark blutete wusste ich damals nicht. Nur meine Mutter hatte nichts besseres im Sinn als meinem Vater von meiner ersten Periode zu erzählen. 2 Wochen später, pünktlich zum Eisprung brachte er Super 8 Sexfilme nach Hause. Dann vergewaltigte er mich. Als er sich auf mich begab, bin ich (wie sooft zuvor nachts) ohnmächtig geworden. Da er aber immer wieder meinen Namen erregt gestöhnt hatte bin ich aufgewacht aus der Ohnmacht. Wahrgenommen habe ich so gut wie nichts. Aber gefühlt umso mehr. Ich habe das vor drei Jahren, wie vieles andere nacherlebt. Ich hatte mittags geschlafen, wache auf, fühle, es schläft wer mit mir, bin wie gelähmt, gleichzeitig schaue ich zur Türe, um zu sehen ob wer kommt um mich umzubringen. Nein, ich stehe nicht auf. Ich bleibe bei diesem Gefühl. (Der Mörder liegt über mir.) Dieses Gefühl "es schläft wer mit mir" hatte ich schon in meiner ersten Therapie vor ca. 10 Jahren so beschrieben: Wenn ich mit einem Mann schlafe, spüre ich nur den Mann und mich nicht. Das konnte niemand nachvollziehen und nur mit Einbildung erklären. Bis ich mir vor über 2 Jahren die Antwort geben konnte: Während dieser Vergewaltigung in der Pubertät habe ich nichts als "jede Phase der sexuellen Lust (Erregung) des inneren Kindes meines Vaters" gespürt. Das ist Horror. Weil mit jedem Mann, mit dem ich geschlafen habe habe ich nur meinen Vater gespürt, dieses Gefühl über jahrzehnte in mir getragen. Gelegentlich wurde dieses Gefühl durch die heftigen, schmerzenden Stöße meines Großvaters gestört. Für mich gibt es nichts perverseres und erniedrigerendes als das. Ich hatte vor einigen Wochen über ca 3 Tage ein Gefühl des inneren Kitzelns der Nerven. Das ist zum wahnsinnig werden, weil du dich nicht kratzen kannst. Und ich wünschte mir : Lieber Lungenkrämpfe, Bronchien, lieber Eierstockkrämpfe, lieber Blasenkrämpfe, Eileiter-, Darmkolliken, Magenkrämpfe, Gelenkschmerzen, Lähmungserscheinungen und, und, und. Nur nicht dieses Gefühl, wenn die Symptome nicht mehr zu ertragen sind. Ich habe diese Wut und den Schmerz überwunden. Dafür sind dann die Schmerzen im Unterleib, wenn auch nicht so stark, zurückgekommen. Hinzu eine furchtbar schmerzende Brust. Jetzt bekomme ich abe schon wieder Wut auf meine Großmutter väterlicherseits, eine heilige Rosenkranzhure. Die hat mich als ich klein war immer mit in die Kirche genommen. Und das Vater Unser kam mir mit 3-4 Jahren schon äußerst sonderbar vor. Die hat mich schon mit 2 Jahren so gechlagen und getreten nur weil ich das kleine Messerchen nahm um ihr beim Apfel schälen zu helfen. Kein Weinen, kein Schreien, kein Hilfe. Sie war genauso wie mein Vater. Die haben sogar Hunde getreten. Vor ca. 4 Jahren hatte ich einen Traum: Ich war gerade geboren und in weiß eingewickelt. Ich schwebte ca. 1/2 Meter über dem Boden. Wie aus weiter Ferne hörte ich eine Stimme:" Es ist das zweitgeborene, es ist ein Mädchen, die Mutter schläft." Als ich nach diesem Traum aufwachte, weinte ich und dachte, ich bin für mich und meine Gefühle ganz allein verantwortlich. Ich hatte nicht im geringsten eine Ahnung, was das bedeutete. Am Donnerstag hatte ich Geburtstag. Ich habe fürchterlich wegen meines Tages der Geburt geweint. Ich durfte nur leben um zu leiden, leiden und nochmals qualvoll zu leiden.

Liebe Grüße
J.K. 

MD: Sie haben es richtig erkannt und auf den Punkt gebracht: Sie waren der Besitz eines Monsters, das Ihr Vater war. Ihre Lebensgeschichte zeigt, dass das Schlimmste noch längst nicht gesagt wurde, was Kinder an Bestialität durch ihre Eltern erleiden müssen.

 

Nichtsdestotrotz können Sie Ihre Kindheitserfahrungen auf sehr nachvollziehbare Weise ausdrücken. Das bedeutet, dass Sie außerhalb Ihrer Familie auch Menschen begegnet sein müssen, die ganz anders zu Ihnen waren. Ihre Fähigkeit, sich klar und verständlich auszudrücken, wurde dadurch gerettet.

 

Sie sagen, Sie wurden geboren, um zu leiden. Und das Leid brachten Ihnen Ihre Eltern, worüber Sie fürchterlich weinen müssen. Deshalb brauchen Sie jetzt Menschen, die Ihre Gefühle und Bedürfnisse wahrnehmen, wertschätzen und achten. Hier haben Sie bereits damit begonnen. Melden Sie sich noch einmal, wenn Sie in Kontakt mit jemandem kommen wollen, der bereit ist, Ihre Gefühle und Bedürfnisse wahrzunehmen, wertzuschätzen und zu achten. Denn eigentlich sind wir Menschen fur die Liebe geboren (vgl. Bruce D. Perry und Maia Szalavitz, Für die Liebe geboren. Warum Einfühlung und Empathie so wesentlich sind; Arbor Verlag Freiburg, deutsche Ausgabe (2012))