Beiträge/Briefe

 

Die auf dieser Webseite von mir verfassten Beiträge sind das Resultat langjähriger Forschungsarbeit über die Wurzeln menschlicher Orientierungslosigkeit, Gefühlsunterdrücktheit, Destruktivität. Die von mir beschriebenen mentalen Zustände sind nur ein kleiner Ausschnitt der Folgen frühkindlicher Vernachlässigung und Gewalt. Ich weise auf alarmierende gesellschaftliche Zustände hin mit den damit korrelierenden Bezügen auf die Kindheit.

 

Mein Resümee diesbezüglich ist immer dasselbe, weil es sich auch immer um dasselbe Problem handelt. Wer sein Kind nicht wertschätzt und nicht liebt, der produziert mit größter Wahrscheinlichkeit ein „gefühlloses Monster“. 

 

Die Umstände, die Menschen zu einem „gefühllosen Monster“ machen, haben diese selbstverständlich nicht freiwillig gewählt, sondern sind ihnen als Kind von ihren gefühlstoten Eltern aufgezwungen worden. Wahr ist freilich ebenfalls, dass man später als Erwachsener objektiv eine Wahl hat. Man ist nicht mehr seinen Eltern hilflos ausgeliefert, weshalb man sich nicht mehr deren Irrsinn bis zur Selbstaufgabe anpassen muss. Jedoch ist diese Reflexion eine Art Außensicht, die der betroffene Mensch in seinem desaströsen Zustand nicht leisten kann. Es dominiert das in seinem Körper gespeicherte gefühlsvernichtende Selbstverständnis. Das macht ihn tragischerweise zu einem „gefühllosen Monster“. Er denkt, er habe die Gewalt seiner Eltern gebraucht, um ein tüchtiger Mensch zu werden. Die Selbtentfremdung hat sich bereits in ihm zementiert. Er kann nur noch aus dieser Innensicht schöpfen, die für ihn gleichzeitig auch Außensicht ist. Insofern ist der subjektive, mentale Zustand des Einzelnen das einzig Ausschlaggebende. Daraus erklärt sich das scheinbar unauflösbare Problem, sich aus dem Netz der Lebensverachtung zu befreien und zum Leben zurückzufinden. Genau dies dies sind die Gründe dafür, warum eine bewusste Wahl zwischen lebensbeschwerendem Irrsinn und glücklich machender Lebensbejahung praktisch unmöglich ist. Denn diese vermeintliche Wahl ist gerade durch die desaströse Lebensgeschichte ausgeschlossen, und das erzähle ich praktisch in jedem meiner Artikel.

 

Ursprünglich brachten wir bei unserer Geburt alles mit, um mit anderen Menschen produktiv leben zu können. Doch wir suchen und finden später das, was wir seit frühester Kindheit erfahren und verinnerlicht haben. Die frühen desaströsen Erfahrungen haben von uns Besitz ergriffen, unsere Persönlichkeit befallen wie Vampire. Daher erscheint es mir so wichtig, solchen Menschen die Hand zu reichen und ihnen damit die Möglichkeit zu eröffnen, andere Erfahrungen zu machen. Erfahrungen der Einfühlung, der Aufrichtigkeit und der Wertschätzung. Doch seit ihrer frühen Kindheit gab es niemanden, der ein liebevolles, zugeneigtes Gegengewicht zu ihren gefühlstoten Eltern vorgelebt hätte. Wollen wir wirklich diese Menschen allein ihrem lebensverachtenden Schicksal überlassen? Sie konnten schließlich nichts dafür, dass sie als Babys dir Welt so vorfanden.

 

Nur derjenige, der schon früh die Revolte innerlich verspürt, hat möglicherweise die Chance, sich selbst aus dem menschenverachtenden Sumpf zu ziehen. Er spürt, dass etwas falsch läuft, was nicht seiner Natur und Wahrheit entspricht. Er wird sich bestenfalls von selbst das suchen, was ihn weiterbringt. 

 

Aber derjenige, der keine Revolte verspüren kann, weil er sich absolut dem elterlichen Irrsinn bis zur Selbstaufgabe anpassen muss, wird es gewiss nicht von sich selbst heraus schaffen, zum Leben zurückzufinden. Der kann sich nicht das suchen, was ihm gut tut, denn er kann das Gute vom Schlechten nicht unterscheiden. Dieser Mensch braucht unbedingt die Hilfe anderer Menschen. Doch genau hier liegt das entscheidende Problem. Denn begreiflicherweise wirken die „gefühllosen Monster“ abstoßend auf fühlende Menschen, weswegen diese meistens abgeneigt sind, ihnen auf einfühlsame Weise zu helfen..

                                                

Darum will ich Ihnen eine Geschichte erzählen, die ich an einer Straßenbahnhaltestelle in Köln erlebte: Als ich eines Abends von der Arbeit kam, konnte ich mich kaum auf den Beinen halten, weil ich den ganzen Tag stehen musste. Ich sah eine Sitzbank und bat die darauf sitzenden Jugendlichen, mir Platz zu machen. Doch keiner von ihnen war dazu bereit. Sie gaben vor, selbst erschöpft zu sein, was natürlich nicht stimmte. Ich fragte, ob denn niemand Einfühlungsvermögen für mich aufbringe. Meine Frage wurde belächelt und mit der gleichen Frage erwidert. Daraufhin bat ich erneut um Platz und es wurde spürbar lauter um mich herum. Überraschenderweise bot mir jemand seinen Platz an, der nicht zu dieser Gruppe gehörte. Er hatte von meiner Bitte nichts mitbekommen, weil er tief versunken mit seinem Mp3-Player auf der Sitzbank saß und Musik hörte. Ich bedankte mich und setzte mich hin. Dennoch fragte ich die Jugendlichen voller Neugier, warum denn niemand bereit gewesen sei, mir Platz zu machen. Plötzlich schrie mich ein Mädchen total feindselig an: „Soll ich dir eine in die Fresse hauen?“ Ich antwortete ihr: „Was musst du in deinem Leben für ein Elend zu Hause erfahren haben, dass du fähig bist, mir solch eine Frage zu stellen.“ Ich merkte, wie sie sofort innehielt und ihre feindselige Haltung mir gegenüber aufgab. Sie fühlte sich vermutlich von mir ehrlich angesprochen. Jemand anderes sprang ihr noch zur Seite und fragte sie, was ich gesagt hätte. Doch sie blieb ganz ruhig. Sie sagte gar nichts mehr. Die anderen schrieen sich noch eine Weile gegenseitig an, bis sie in eine Bahn einstiegen.

 

Ich möchte mit meinem Erlebnis an der Straßenbahnhaltestelle zeigen, wie ein Mensch, egal in welchem mentalen Zustand er sich befindet, sich angesprochen fühlt, wenn er von Wahrheiten hört, die ihn unmittelbar betreffen. Allerdings muss das nicht auf jeden Menschen zutreffen. Das Mädchen war noch jung. Es erlebte offenbar noch hautnah den alltäglichen Erziehungsterror zuhause, wie es ihr anfängliches Verhalten mir gegenüber zeigte. Gewiss gibt es so schwer geschädigte Menschen, die hirnphysiologisch dermaßen starke Läsionen aufweisen, dass sie zu keinerlei Einfühlung in andere und in sich selbst fähig sind.

 

Zum Schluss will ich Sie noch mit einem Neuropsychologen namens James W. Prescott bekannt machen. Im Jahr 1975 erklärte er in der Aprilausgabe von The Futurist, die Bedrohung für den Weltfrieden gehe von jenen Völkern aus, die ihre Kinder in der reizärmsten Umgebung aufzögen, die sexuelle Zuneigung und weibliche Sexualität am stärksten unterdrückten. Lebenslanger Mangel an körperlicher Lust, besonders während der Wachstumsperioden in der Kindheit und Adoleszenz, seien sehr eng mit der Höhe der Kriegsbereitschaft und der zwischenmenschlichen Gewalttätigkeit verbunden. Deshalb erstrebe man in den USA als wünschenswerte Eigenschaft der Menschen eine kämpferische, gewaltbereite Gesinnung. Des Weiteren berichtete er von einer unfassbaren Vergewaltigungsszene im Vietkong durch amerikanische Soldaten, die nacheinander eine einheimische Frau vergewaltigten. Sie hätten die Vergewaltigung als „Liebe machen“ bezeichnet und zusätzlich erwähnt, dieses zum ersten Mal mit angezogenen Stiefeln gemacht zu haben. Der letzte Soldat habe ihr dann in den Kopf geschossen. Mir stockt der Atem bei so viel Bestialität. Das Beispiel der amerikanischen Soldaten führt uns vor Augen, welch bestialische Dimension der menschliche Gefühlstod annehmen kann. Prescott führt weiter aus, in Tierexperimenten verstümmelten Tiere, denen somatosensorische Stimulation entzogen werde, ihre eigenen Körper. Früh unter Berührungsmangel leidende Tiere entwickelten eine beeinträchtigte Schmerzwahrnehmung sowie eine Aversion dagegen, durch andere berührt zu werden (vgl. Katharina Braun, MD). Die von Prescott sorgfältig recherchierten Fakten waren jedoch vom Zeitgeist der 1970er Jahre gefärbt, wo die Enttabuisierung der Sexualität im Vordergrund stand. Daher kommt er auch zu falschen Schlussfolgerungen, indem er die Folgeerscheinung als Ursache begreift. So meint er allen Ernstes, die strengen Werte der Monogamie, Keuschheit und Jungfräulichkeit würden dazu beitragen, zwischenmenschliche Gewalttätigkeit zu erzeugen. Natürlich wissen wir heute, dass diese durch verdrängte Gewalterfahrungen in der frühen Kindheit verursacht wird. Dennoch erscheint mir dieser Neuropsychologe sehr wach und seiner Zeit meilenweit voraus gewesen zu sein. So befürwortete er schon damals körperliche Berührungen in der Therapie, was heutzutage mittlerweile als selbstverständlich angesehen wird. Welchen vernünftigen Grund gäbe es auch dagegen, einen trauernden Patienten mitfühlend in die Arme zu nehmen und zu trösten?