4.4.2013

Sehr geehrter Herr Dressel,

ich finde Ihre Webseite sehr interessant. Mir leuchtet jedoch nicht ein, wie ich zu meinen authentischen Gefühlen finden kann.

 

Es wäre sehr nett von Ihnen und für mich sehr aufschlussreich, wenn Sie mir darauf eine Antwort geben könnten.

Mit freundlichen Grüßen

H.L.

MD: Gefühle sind natürlich immer da. Doch ob wir unsere Gefühle ernst nehmen, ist ein ganz anderes Thema. So verhält es sich auch mit Gefühlen, die wir in unserer Kindheit hatten. Weshalb wir unsere Gefühle nicht ernst nehmen, liegt daran, weil unsere Eltern sie einfach wie Luft behandelten. Nehmen wir später als Erwachsene unsere Gefühle nicht ernst, führt das oft zu falschen Entscheidungen. Die Ausschaltung von Gefühlen bei Erinnerungen blockiert unser Gedächtnis. Darum geht es bei Erinnerungen immer darum, auch die Gefühle zu erinnern. Erst dann begreifen wir, was das Erinnerte für uns damals bedeutete. Im Hier und Jetzt müssen wir uns in die Situation des kleinen Kindes, das wir einst waren, versetzen, um dessen nicht ernst genommene Gefühle wieder wachrufen zu können. Erst dann machen Erinnerungen einen Sinn. Sobald Ihnen klar geworden ist, wie wichtig Gefühle für Ihr Leben sind, werden Sie sie für alle Zeit ganz automatisch ernst nehmen. Sie werden Ihre Gefühle viel bewusster erleben und laufen nicht ständig Gefahr, alte mit neuen zu vermischen. Das Vermischen alter Gefühle aus der Kindheit mit neuen aus dem Hier und Jetzt verursacht die meisten zwischenmenschlichen Probleme, weil Verwahrlosung, Demütigung, Gewalt in der Kindheit dominierten und diese verheerenden Erfahrungen als elterliche Liebe umgedeutet wurden. Wegen der Gedächtnisblockade können die meisten Menschen ihre wahre Lebensgeschichte nicht erinnern, was zum allgemein existenten Gefühlschaos führt.

 

12.4.2013

Lieber Herr Dressel,

mir wurde immer von meinen Eltern gesagt, ich solle ganz fleißig sein, damit etwas aus mir wird. Natürlich wollte ich, dass aus mir etwas wird. Ich strengte mich mein ganzes Leben an, in der Schule, auf der Arbeit. Wenn ich etwas erreichte, war es nie gut genug. Darum ging es immer weiter. Ich war wie besessen, der Beste zu sein. Jetzt muss ich ganz ernüchternd feststellen, dass sich alles nur um mich gedreht hat. Was habe ich getan? Mir geht es zwar finanziell gut, aber ich bin total leer. Was kann ich tun, dass mein Leben wirklich Sinn macht? Können Sie mir darauf eine Antwort geben?

Herzlichen Gruß D.L.

MD: Wir alle wollten von unseren Eltern geliebt werden. Darum strengten wir uns mit aller Macht an, die elterliche Liebe zu bekommen. Wir spürten von Anfang an, dass wir für die Liebe unserer Eltern etwas tun mussten. Wir spürten, dass sie nicht einfach unseretwegen vorhanden war. Später legen wir unser ganzes Streben darauf aus, entsprechend den Möglichkeiten, die uns das Leben eröffnet, durch enorme Leistung endlich die elterliche Liebe zu bekommen, auch wenn wir schon längst erwachsen sind.Wir bleiben diesbezüglich in der Rolle des kleinen abhängigen Kindes stecken.Wenn Sie sich diesen Zusammenhang bewusst machen, dann spüren Sie, dass Sie nicht mehr das kleine Kind sein wollen, das von gefühlserfrorenen Eltern abhängig ist und darauf hofft, irgendwann deren Liebe zu bekommen, die sie aber niemals geben können. Ihr Kampf um die Liebe Ihrer Eltern war von Anfang an aussichtslos! Es lag nicht an Ihnen, sondern an Ihren Eltern. Wenn Ihre Eltern Sie wirklich lieben würden, dann müssten Sie nicht um deren Liebe kämpfen, weil sie einfach Ihretwegen da wäre. Versetzen Sie sich in das kleine Kind, das Sie einst waren, damit Sie seine d. h. Ihre Bedürfnisse entdecken. Dann macht das Leben Sinn.