Ende 2006 schlug ich dem WDR ein Sendeformat vor, wo ich aktuelle Geschehnisse aus Politik und Gesellschaft von überragendem öffentlichen Interesse und die dafür verantwortlichen individuellen und sozialen Ursachen durchleuchtet hätte. Ich beabsichtigte, die Zuschauer verstärkt in dieses Sendeformat einzubeziehen, damit die neu gewonnenen Informationen für jedermann ganz leicht nachvollziehbar gewesen wären. Der WDR hatte jedoch für ein solches Sendeformat niemals ein Interesse. Stattdessen bemühte er sich, stromlinientreue Moderatoren vom Privatfernsehen abzuwerben, die ihren nichtssagenden Einheitsbrei nun auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen auftischen können. Dieser Umstand belegt, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen seine Zuschauer nicht wirklich für voll nimmt.

 

Herr Pleitgen hat natürlich auf meinen Brief nicht geantwortet, womit er sein verantwortungsloses Handeln bekräftigt. Stattdessen demonstrierte er seine Gefühlsunterdrücktheit vor aller Öffentlichkeit anlässlich der RUHR.2010. Er hielt das Gelände des alten Güterbahnhofs in Duisburg als Austragungsort der Loveparade 2010 für geeignet. Seine Fehleinschätzung kostete bekanntlich vielen jungen Menschen das Leben.

 

MD, 11/2010


Brief an den WDR-Intendanten Fritz Pleitgen vom 7.1.2007

Guten Tag Herr Pleitgen,

 

es kommt sicherlich nicht von ungefähr, dass Sie mir nicht persönlich antworteten, sondern stattdessen Frau Heinemeier stellvertretend antworten ließen. Frau Heinemeier gibt in Ihrem Namen vor, Interesse an meinem Vorschlag zu haben und leitet meinen Vorschlag an die zuständige Redaktion weiter, damit diese darüber entscheide. Seitdem habe ich nichts mehr von Ihnen gehört. Drückt sich in einer solchen Vergehensweise ein wirkliches Interesse aus? Schließlich sind Sie der Intendant, der Prioritäten setzen kann. Ich meine, dass Sie mir das gleiche verlogene Schauspiel vorführen, wie Sie es sehr früh schon von Ihren Eltern erlernten. Das Schauspiel, wo Sie als Kind von Ihren Eltern als lästig und böse empfunden wurden, was Sie verständlicherweise renitent werden ließ. Ihre Renitenz veranlasste reziprok Ihre Eltern, Ihnen „gute Werte“ zu vermitteln, damit Sie einmal ein guter Mensch werden sollten. Ihren Eltern war es offenbar egal, dass sie selbst die Verursacher Ihrer Renitenz waren und dass Sie in Wirklichkeit gar nicht böse waren. So verinnerlichten Sie die Verlogenheit Ihrer Eltern als das Selbstverständlichste der Welt und verloren damit die Fähigkeit, die Dinge so wahrzunehmen, wie sie tatsächlich sind.

 

Vielleicht sind Sie nicht gewohnt, diese ehrlichen Worte zu hören und denken, was nimmt sich dieser Kerl heraus, dass er in diesem Ton mit mir redet. Ich werde Ihnen eine Antwort darauf geben. Als ich Sie vor einigen Wochen als Moderator im Presseclub sah, maßte sich einer der Mitdiskutanten selbstgefällig an, die gesellschaftlichen Zustände besser zu verstehen als die Fernsehzuschauer. Mit eiskalter, versteinerter Mine nahmen Sie dieses ohne jegliche Begründung abgegebene Statement kommentarlos hin. So einfach kann man es sich im öffentlich-rechtlichen Fernsehen vor den Zuschauern machen. Was macht Sie so empfindungslos und eiskalt gegenüber Ihrem Fernsehpublikum? Eigentlich wären Sie dazu verpflichtet, ihm keine wichtigen Informationen vorzuenthalten, da wir alle zur Abgabe der Rundfunkgebühren zwangsverpflichtet sind. Eine überaus wichtige Information wäre die, dass viele Eltern nach wie vor ihre Kinder auf menschenverachtende Weise malträtieren, was all unsere zwischenmenschlichen Missstände zur Folge hat. Ganz offensichtlich wollen Sie mit solchen Informationen nichts zu tun haben. Mit Ihrer Gleichgültigkeit drücken Sie aus, dass Sie die Verantwortung, die Sie selbstverständlich als öffentliches Sprachrohr haben, nicht im Geringsten wahrnehmen wollen. Während Sie es sich in Ihrem Intendantenbüro gemütlich machen und sich selbst auf Bällen feiern, werden sekündlich Kinder von den eigenen Eltern aufs Bestialischste gequält. Sie müssten es doch eigentlich wissen, haben Sie vermutlich ähnliche Erfahrungen durchgemacht, wie Ihr augenscheinlich eingefrorener Gefühlszustand offenbart. Gleichwohl haben Sie im Vergleich zu vielen anderen schichtenspezifisch benachteiligten Menschen die Möglichkeit von ihren Eltern eröffnet bekommen, durch Bildung und viel Anpassungsgeschick es bis zum Intendanten einer der größten Rundfunk- und Fernsehanstalt Europas zu bringen. Wenn ich es soweit gebracht habe, denken Sie stumm, müssten meine Eltern mich doch endlich lieben. Sicherlich scheint das der Fall zu sein. Aber sind es wirklich Sie, der nun von Ihren Eltern geliebt wird, oder ist es Ihre grandiose Anpassungsfähigkeit, die Sie zum Intendanten werden ließ? Wenn Sie jetzt meine Fragen zulassen und über sich selbst reflektieren, werden Sie verstehen, was ich Ihnen mitteilen möchte. Verharren Sie stattdessen in Ihrer gefühlsmäßigen Eiseskälte, werden Sie vermutlich nur Verachtung für mich empfinden.

 

Es liegt ganz allein an Ihnen, ob Sie wirklich Ihre große Verantwortung wahrnehmen wollen, indem Sie für die gesamte Gesellschaft wichtige Informationen veröffentlichen, oder ob Sie das verinnerlichte verlogene Schauspiel bis zu Ihrem Tod zwanghaft wiederholen. Mich würde es sehr freuen, wenn ich mich in Ihnen total getäuscht haben sollte oder wenn Sie bereits einen Prozess der Selbstreflexion durchgemacht haben sollten. Setzen Sie Prioritäten! Ich werde sehen, auf welche Art und in welcher Form Sie mir antworten werden.

 

Mit den besten Grüßen

 

Michael Dressel