Natürlich blieb meine an Herrn Plasberg gerichtete E-Mail unbeantwortet. Eigentlich offenbart das seinen nicht vorhandenen Willen, eine verantwor­tungs­volle Sendung zu machen. Denn wenn jemand in der Lage ist, das Leid der Kinder derart herunterzuspielen, wie es Herr Plasberg tat, dann hat er als Multiplikator in der Öffentlichkeit nichts zu suchen. Er zementiert damit den Status Quo der allgegenwärtigen Missachtung des Kindes. Das kann ich auf keinen Fall akzeptieren! Die einzige Entschuldigung, die ich für sein Schweigen finden kann, ist die, dass er meine E-Mail nicht erhalten hat. Aber eine Mitarbeiterin des Intendanten vom WDR versicherte mir, die E-Mail an Herrn Plasberg persönlich weitergeleitet zu haben.

 

MD

 

E-Mail an Frank Plasberg anlässlich der WDR-Fernsehsendung „hart aber fair“ vom 8.3.2006

guten tag herr plasberg,

 

sie waren mir bis zu ihrer sendung über kindererziehung recht sympathisch. sie schienen, ein wacher und aufmerksamer mensch zu sein. beim thema kind jedoch äußert sich regelmäßig der wahre mentale zustand eines jeden menschen, so auch selbstverständlich der ihre. wie sie bei dem wort „kinderdressur“ amüsiert lächeln konnten, sollten sie in einer ihrer nächsten sendungen ihrem publikum erklären. sie waren mir zum ersten mal richtig unsympathisch. die zuschauerin antje hat wohl mehr mitgefühl als sie, denn sie schrieb folgenden kommentar: Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig; BGB § 1632, Abs. 2, Artikel 1, Ziffer 3 (seit 02. Nov. 2000). Das gilt auch für Klappse (hervorhebung md).

 

sie haben sich zu einer homogenen runde zusammengefunden, die sich darüber einig war, dass kinder lästige wesen seien und deswegen erst einmal soziabel gemacht werden müssten. hierfür könnten auch klapse, grenzen setzen und konsequente belehrungen probate mittel sein. haben sie alle ihr gedächtnis total verloren und können sich nicht an ihre eigene kindheit erinnern? fangen sie lieber an, die fehler ihrer väter zu entlarven und fragen sie sich danach, ob es wirklich liebe ist, die sie an jene bindet.

 

auch der scheinbare außenseiter, herr wolf, unterschied sich nicht maßgeblich von der restlichen unheilvollen allianz gegen das kind. die argumente, die er pro kind anbrachte, wirkten wie angelernte artefakte, die nicht seine wesensimmanete einstellung kundtaten. ihre einwendung hinsichtlich des naziververgleichs, der in wirklichkeit gar keiner war, demonstrierte, wie sie sich in allgemeinplätze flüchten. zudem hörten sie noch nicht einmal richtig zu. denn der professor hatte lediglich ursachen dafür aufzuzeigen versucht, die diese zeit möglich machten. mit dem schlaghammerargument, die nazizeit sei unvergleichlich, wischten sie diese argumente wie lästige insekten beiseite. es scheint mir der eindruck aufzukommen, dass durch das monieren missbilligter nazivergleiche nicht nur wache menschen mundtot gemacht werden sollen, sondern dass damit vielmehr wieder der verdrängungsmechanismus zu tage kommt, wo alles, was mit der nazizeit zu tun hat, totgeschwiegen wird. wollten wir wirklich aus der nazizeit lernen, müsste es für jeden möglich sein, dinge in unserer zeit anzuprangern mit dem analogen hinweis, der jener epoche zumindest vom wesen sehr ähnlich erscheint. menschen per se ins abseits zu verbannen, nur weil sie analogien zur nazizeit feststellen, ist an und für sich schon höchst verdächtig. und nur weil so viele unreflektierte menschen in diesem chor mitsingen, heißt das noch lange nicht, dass ihren äußerungen substanziell etwas zu entnehmen wäre. nazivergleiche mögen hin und wieder überspitzt sein, aber darin wird doch nur zum ausdruck gebracht, wie ablehnend man destruktiven auswüchsen gegenübersteht. meines erachtens sind vergleiche mit der nazizeit immer dann legitim, wenn dadurch soziale oder individuelle mechanismen offenbart werden sollen, die ultradestruktive züge aufweisen. irgendwie müssen die nazis groß geworden sein und den nährboden dafür gefunden haben, um die kollektive destruktivität zu entwickeln. die ursachen dafür aufzudecken, müsste unser aller anliegen sein und nicht das totschweigen. ist vor diesem Hintergrund nicht dann derjenige destruktiv, der durch den hinweis auf den verbotenen nazivergleich, destruktivität zu verharmlosen versucht? ob das bewusst oder unbewusst geschieht, kann hier keinen ausschlag haben. deswegen war das wegwischen dieses themas durch sie völlig fehl am platz.

 

das unglaubliche jedoch an ihrer runde war, wie trotz der permanenten demonstratation des machtgefälles zwischen eltern und kind, das verhalten der kinder als lästig beklagt wurde. obwohl sie vorher, offenbar unbewusst, die gründe dafür frei haus lieferten, nahmen sie sie selbst gar nicht bewusst wahr. wie selbstverständlich waren sie sich einig im kampf gegen das kind, allerdings in höchst heuchlerisch beschönigenden wörtern, die angeblich den respekt vor dem kind untermauern sollten. dieses verlogene schauspiel kennt wohl jedes kind, auch wenn es sich später als erwachsener nicht daran erinnern kann. dennoch sind diese erfahrungen in seinem körper gespeichert. als erwachsener wird es dann ähnliche meinungen vertreten wie sie.

 

sie und ihre runde haben anscheinend noch nicht den zugang zu wichtigen informationen gefunden, die uns alle angehen, nämlich die ungeschminkte

aufdeckung der menschwerdung im konkreten sozialen umfeld. In anbetracht der neuesten hirnphysiologischen forschungsergebnisse ist die gewaltbereit­schaft vieler menschen keineswegs verwunderlich. denn derjenige, der läsionen oder in der kindheit psychisch bedingte schädigungen in jenen regionen des Gehirns erlitten hat, die für die emotionen und gefühle zuständig sind, kann keine adäquaten wertungen über sein handeln vornehmen. damit liegt nun endlich der längst fällig gewesene naturwissenschaftliche beweis für die überragende bedeutung der menschlichen gefühle vor, was von engagierten psychologen schon vor jahrzehnten auf empirische weise vorgebracht wurde. der mensch muss sich seinem angeborenen potenzial entspre­chend angstfrei entwickeln können, damit er so etwas funda­mental wichtiges wie die empathie für seine mitmenschen auf­bringt. diese weichenstellung bedingt unser aller überleben. daher muss sich ihre runde fragen: was hat uns so empathielos gegenüber dem kind gemacht?

 

ist ihnen nicht aufgefallen, wie sie unisono ihre eltern als sehr liebevoll bezeichnet haben? doch ihr kognitiver zustand und ihre einstellung zum kind ist der beweis des gegenteils.

 

diesbezüglich war es sehr bedeutungsvoll, dass ihr sender einen vorschlag von mir vor mehr als 10 jahren abwies, eine sendung zu machen mit dem thema, welche folgen das erziehungchaos für die ganze gesellschaft hat. ich wollte schwerpunktmäßig aktuelle geschehnisse von öffentlichem belang beleuchten und hätte versucht, deren individuellen sowie sozialen ursachen aufzudecken. leider scheinen viele multiplikatoren aus rundfunk und fernsehen noch nicht so weit zu sein, die sprache des lebens zu verstehen.

 

mit den besten grüßen

           

michael dressel