Wenn Arbeit Spaß und Freude macht

Der idealtypische Zustand

 

Arbeit ist für uns Menschen sehr bedeutsam. Sie befriedigt unser angeborenes Bedürfnis, gemeinsam mit anderen Menschen schöpferisch tätig zu sein. Das schafft Spaß und Freude.

 

Doch wenn Arbeit hauptsächlich für die Gewinnmaximierung eines Arbeitgebers dient, dann hat sie kaum noch etwas mit dem angeborenen Bedürfnis nach gemeinschaftlichen, schöpferischen Tun gemein. Der Arbeitgeber will den Großteil des erwirtschafteten Ertrags für sich allein abschöpfen und die Arbeitnehmer sollen sich mit dem kärglichen Rest abfinden. Vor diesem Hintergrund betrachtet der Arbeitgeber die Arbeitnehmer nicht selten bloß als Kostenfaktor, ohne dabei deren wichtige Leistung für den erwirtschafteten Ertrag wahrzunehmen. Paradoxerweise ist ausgerechnet die Person, die in der sozialen Hierarchieleiter ganz oben steht, die unproduktivste und die anderen Personen, die in der sozialen Hierarchieleiter viel weiter unten stehen, sind dagegen die Produktivsten. Auf diese Weise spiegelt sich in der Arbeitswelt der gesellschaftlich allgemein herrschende machtorientierte zwischenmenschliche Umgang zwischen stark und schwach wider. Die Schwachen, die Arbeitnehmer, müssen sich dem Starken, dem Arbeitgeber, unterordnen und nach dessen Weisungen handeln. Insofern ist Arbeit weit davon entfernt, Spaß und Freude zu machen.

 

Eine lebensbejahende Arbeitswelt dagegen gründet auf einer Gemeinschaft, in der sich die Menschen unbeschwert und produktiv entfalten können. Diese Gemeinschaft ist frei von Machtverhältnissen, frei von Fremdbestimmung, frei von Ausbeutung, aber voll von kreativem Tun. 

 

In dieser Gemeinschaft bedingt die Befindlichkeit des Einzelnen den zwischenmenschlichen Umgang. Aber wie muss die Befindlichkeit des Einzelnen beschaffen sein und wie kommt es zu dieser Beschaffenheit, damit der zwischenmenschliche Umgang sich lebensbejahend entfalten kann?

 

Dafür müssen die Menschen notwendigerweise ihre angeborenen Bedürfnisse ausleben können. Die angeborenen Bedürfnisse sind die Freude und der Spaß am gemeinsamen schöpferischen Tun, die gegenseitige Hilfe und Unterstützung, der Drang zu Lernen usw. Ohne das Ausleben dieser Bedürfnisse kommt es zu einem angepassten Verhalten, das sehr viel Mühe kostet und sich äußerst negativ auf die Leistungsfähigkeit der betroffenen Menschen niederschlägt.

 

Ein lebensbejahender zwischenmenschlicher Umgang offenbart sich vor allem durch Empathie. Denn durch Empathie können sich die angeborenen menschlichen Bedürfnisse wie von selbst entfalten.

 

In dieser Hinsicht entspricht ein empathischer Arbeitgeber voll und ganz einer verantwortungsvollen Persönlichkeit. Er legt Wert auf sinnvolle Produkte, die den Menschen nützen. Ein solcher Arbeitgeber ist weder auf kurzsichtigen Gewinn aus, noch verheizt er seine Angestellten auf rücksichtslose Weise. Im Gegenteil, er wertschätzt deren Arbeitsleistung, weil diese den Erfolg seines Geschäfts ausmacht. Er honoriert seine Angestellten gerecht und unterstützt sie umfassend darin, dass sie ihre Arbeit unbeschwert und produktiv ausüben können. Darum fühlen diese sich in seinem Geschäft, das eigentlich das Geschäft aller ist, bestens anerkannt und aufgehoben. Die Angestellten entwickeln eine positive Einstellung zu ihrer Arbeit, die wiederum das Arbeitsklima positiv beeinflusst.

 

Da sich jeder Mensch von Natur aus mit seinen Mitmenschen gut verstehen will, birgt die gemeinschaftliche Arbeit schon an und für sich sehr viel Spaß und Freude. Den Angestellten gibt die Arbeit die notwendige Lust und Energie zum Weitermachen, weshalb es bei ihnen nie zu einem Burn-out-Syndrom kommen kann. Auf diese Weise erfüllen sie völlig unbeschwert die geschäftlichen Ziele.

 

Der Arbeitgeber wiederum freut sich darüber, wie erfolgreich sein Geschäft läuft. Diesen Erfolg reinvestiert er in andere sinnvolle Produkte sowie in die weitere gerechte Honorierung und Unterstützung seiner Angestellten. Zwischen ihm und ihnen entsteht ein sich gegenseitig befruchtender zwischenmenschlicher Umgang, wo eine machtorientierte Hierarchie keinen Platz findet. Aus Angestellten und Arbeitgeber werden gemeinsam verbundene Mitarbeiter. Dank dieser zwischenmenschlichen Verbindung wird der wirtschaftliche Erfolg des Geschäfts nachhaltig garantiert, weil alle am selben Strang ziehen. 

 

Mit den Herausforderungen neuer geschäftlicher Aufgaben beschäftigen sich hauptsächlich jene Mitarbeiter, die zuvor als Angestellte bezeichnet wurden. Und der Mitarbeiter, der sich zuvor Arbeitgeber nannte, überlässt den anderen Mitarbeitern einen umfassenden Handlungsspielraum, denn er weiß deren fachlichen Kompetenzen sehr zu schätzen. Deswegen hat er sie ja einmal angestellt. Im Übrigen vereinfacht diese Vorgehensweise signifikant die geschäftlichen Abläufe.

 

Ein solches Geschäft basiert unter den oben genannten Prämissen stets auf Empathie und Kooperation, welche ein produktives Zusammenarbeiten optimal ermöglichen. Spaß und Freude sind die Antriebsfedern aller Mitarbeiter für ein gemeinsames erfolgreiches Umsetzen der geschäftlichen Ziele. Die daraus resultierende freudvolle Befindlichkeit der einzelnen Mitarbeiter beeinflusst reziprok deren Leistungsfähigkeit sowie das gesamte Betriebsklima positiv. Somit schließt sich der Kreis für eine unbeschwerte und produktive Zusammenarbeit, die allen zugute kommt und sich eindeutig als lebensbejahend erweist.

 

Der tatsächliche Zustand

 

Leider sieht unsere Arbeitswelt in der Wirklichkeit ganz anders aus. Sie ist vornehmlich durch Wettbewerb und Einzelkämpfer gekennzeichnet. Welche persönliche Eigenschaften und fachliche Fähigkeiten die Einzelkämpfer mitbringen, spielt dabei kaum eine Rolle. Es kommt vielmehr auf deren Durchsetzungsvermögen, Machtstreben und Rücksichtslosigkeit an.

 

Wenn solche Menschen Arbeitgeber werden, dann steht das Schicksal der Angestellten von Anfang an unter einem schlechten Stern. Sie beuten ihre Angestellten rücksichtslos aus, damit sie soviel Geld wie möglich allein für sich selbst anhäufen können. Mit Reichtum verbinden sie Prestige und Macht. Diese Einstellung zum Leben wurde ihnen schon früh von ihren gefühlspervertierten Eltern eingeimpft, als sie noch kleine abhängige Kinder waren. Ihre Eltern lebten ihnen im zwischenmenschlichen Umgang den Drang nach Stärke und Macht rücksichtslos vor. Die elterlichen Lehren bedeuteten für sie, dass nur der egomanische Starke und Mächtige gut leben könne. Dieser zwischenmenschliche Umgang entwickelte sich zum integralen Wesensmerkmal ihrer Persönlichkeit. Darum mutieren sie zu Kopien ihrer gefühlspervertierten Eltern. Jetzt, wo sie selbst erwachsen sind, dienen ihnen die Angestellten als Mittel zum Zweck, um ihren zwanghaften Drang nach Stärke und Macht auszuagieren. Sie verhalten sich in zwischenmenschlicher 

Hinsicht total lebensverachtend.

 

All das kann nur deshalb geschehen, weil das abhängige Kind seine Eltern von Natur aus bedingungslos liebt und sich deren lebensverachtendem Verhalten ganz automatisch anpasst. Da es noch nichts anderes kennt, fasst das Kind das lebensverachtende Verhalten seiner Eltern wie selbstverständlich als richtig auf. Ein Hinterfragen kommt ihm noch nicht einmal in den Sinn, denn wie könnten seine geliebten Eltern, böse zu ihm sein? Es könnte nur dann das lebensverachtende Verhalten seiner Eltern hinterfragen, wenn es durchschauen würde, wie sie tatsächlich mit ihm umgehen. Doch ein noch völlig abhängiges Kind kann keine Vorstellung davon haben, dass die über alles geliebten Eltern, böse zu ihm sein könnten, weil das allem widerspricht, was es von Natur aus erwartet.

 

Ausgerechnet die christdemokratischen Politiker vertreten ganz offen das machtorientierte Schema. Wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmern Lohn zahle, dann dürfe er darüber bestimmen, wie die Arbeit zu verrichten sei. Die Arbeitnehmer müssten sich den Anordnungen des Arbeitgebers unterordnen. Wer zahle, der stelle die Bedingungen. Fühlende Menschen entlarven eine solche Einstellung gegenüber abhängig Beschäftigten sofort als internalisiertes Machtschema. Dass die CDU mehrheitlich von der deutschen Bevölkerung gewählt wird, offenbart deren mentalen Zustand und belegt, dass die autoritäre Erziehung von Kindern noch lange nicht der Vergangenheit angehört. Im Gegenteil, sie gehört zum festen Bestandteil unserer Gesellschaft. Warum könnten sonst Sportarten wie Fußball oder Boxen, die beide überdimensioniert leistungsbezogen sind, eine so große Beliebtheit in unserer Gesellschaft haben? Diese Sportarten verkörpern mit ihrer überdimensionierten Leistungsbezogenheit geradezu den unerbittlichen Wettkampf, der ausschließlich aufs Siegen ausgerichtet ist. Siegen bedeutet vor diesem Hintergrund, der Stärkste und Mächtigste zu sein.

 

Und wieso können christdemokratische Politiker mit aller Selbstverständlichkeit den abhängig Beschäftigten verkünden, wer zahle, der stelle die Bedingungen? Hier zeigt sich das autoritäre Beziehungssystem, das sie einst als abhängiges Kind von ihren Eltern unhinterfragt erdulden mussten. Dabei blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich ihren allmächtigen Eltern bedingungslos unterzuordnen. Daher sind solche Politiker unterschwellig von Ressentiments getrieben. Für sie sind nun die abhängig Beschäftigten die Schwachen, die sich aufgrund des niederen sozialen Rangs unterordnen müssen, genauso wie sie es einst selbst als abhängiges Kind bei ihren Eltern tun mussten. Aufgrund der lebensverachtenden elterlichen Lehren sind sie in ihrer Wahrnehmungsfähigkeit dermaßen gestört, dass sie nicht wahrnehmen können, was für eine enorm wichtige Leistung die abhängig Beschäftigten erbringen, damit das Geschäft gut läuft.

 

Ein möglicher Ausweg

 

Der Ausweg aus dieser dämonischen Situation wäre eigentlich ganz einfach: Wenn Eltern ihre Kinder wirklich lebensbejahend behandelten, dann würden sich aus diesen fühlende Erwachsene entwickeln, die eine lebensbejahende Welt erschaffen. Vielleicht müssten wir dafür noch nicht einmal Generationen abwarten, denn positive Erfahrungen im Erwachsenenalter können auch dazu beitragen, eine lebensbejahende Welt zu erschaffen. Doch die positiven Erfahrungen müssten sehr viele Menschen erreichen, damit es zu einer entscheidenden gesellschaftlichen Breitenwirkung käme.

 

Doch genau hier liegt das Problem. Da die gefühlspervertierten Menschen abstoßend auf die fühlenden wirken, verhindert dieser Umstand die Chance auf positive Erfahrungen. Umgekehrt wirken die fühlenden Menschen auf die gefühlspervertierten höchst verdächtig. Die Gefühlspervertierten bleiben lieber unter ihresgleichen. Auch dieser Umstand verhindert die Chance auf positive Erfahrungen. Darum sind solche wünschenswerten Begegnungen allenfalls glücklichen Ausnahmeumständen zu verdanken.

 

Ich sehe daher die Chance auf einen Ausweg eher bei jüngeren Menschen, weil bei ihnen die lebensverachtenden Erfahrungen, die ihre Gefühle pervertiert haben, noch nicht so lange her sind. In ihnen verweilt noch die Hoffnung, dass sich ihre bösen Eltern irgendwann in gute verwandeln könnten. Bei älteren Menschen ist diese Hoffnung schon längst begraben, weswegen eine Änderung zum Guten nahezu unmöglich erscheint. Doch wäre es alles andere als wünschenswert, die älteren einfach abzuschreiben. Diese müssten aber eine Bereitschaft zur Veränderung mitbringen, die bestenfalls von den fühlenden Menschen geweckt würde.

 

© Michael Dressel, 1/2016