Der Bischof von Essen über die Katastrophe von Duisburg

Der Bischof von Essen spricht zuerst von „Lebensfreude und Zuversicht“, dann von „unbegrenzter Lebensfreude“, sodann vom „Unfassbaren“, von der „Grenzenlosigkeit auf dieser Erde“ und zum Schluss von „Demut“, dass „Gott allein grenzenlos “ sei und „dass ihn das hoffnungsfroh für die Toten“ stimme. Er vertraue darauf, dass „Gott den Schleier des Todes in seiner [Hervorhebung MD] Welt von uns“ nehme und dass „er in einer nicht allzu fernen Zukunft auch den Schleier“ wegnehme, der „jetzt noch über Duisburg und unserer Region“ liege.

 

Ich kannte diesen Mann bis heute nicht. Wie ich jetzt in den Leserkommentaren lese, ist dieser Mann, was seine befremdliche Einstellung zum Leben angeht, im Ruhrgebiet nicht unbekannt.

 

Ich habe der Zeitung DerWesten einen Artikel von mir angeboten, der Orientierung über die Gründe der Katastrophe von Duisburg geben soll. Offenbar ist mein Artikel nicht erwünscht, stattdessen gibt man einem extrem verwirrten Mann die Möglichkeit, sich vor einem breiten Publikum zu äußern. 

 

Wie lange können wir es uns noch leisten, dass extrem verwirrte Menschen in den höchsten sozialen Stellungen stehen und damit großen Einfluss auf Menschen ausüben? Steht die Loveparade wirklich für „unbegrenzte Lebensfreude“, wie es der Bischof behauptet? Oder steht sie vielmehr für den Versuch, Menschen zusammenzubringen, damit sie nicht mehr so allein sind. Wer einmal das Zusammensein auf der Loverparade aufmerksam beobachtet hat, sieht fast ausschließlich nur mit sich selbst beschäftigte Menschen, die wie verloren inmitten einer großen Menschenmasse herumstehen. Ein fröhliches Aufeinanderzugehen und ein wirklicher Spaß sind kaum zu erkennen. Doch der Bischof meint, dies sei „die unbegrenzte Lebensfreude“. Zu guter Letzt baut der Bischof ein Horrorszenario auf, wo auf „unbegrenzte Lebensfreude“ unvermeidlich das „Unfassbare“ folgen müsste. Es würde doch gar keine „Grenzenlosigkeit“ auf unserer Erde geben, daher wäre die Katastrophe in Duisburg möglich gewesen.

 

Dieser Mann scheint einen so schweren Rucksack aus seiner Kindheit zu tragen, unter dem er jetzt unweigerlich zusammenbrechen muss. Seine frühen lebensgeschichtlichen Erfahrungen überträgt er blind auf seine Mitmenschen. Wie könnte er sonst Folgendes äußern: „Wir ahnen, dass wir einer Illusion erliegen, wenn wir glauben, grenzenlos leben zu können. Niemand von uns kann sicher sein, das Ende dieses Tages zu erleben – egal, wie froh gestimmt wir ihn auch beginnen mögen. Mich selbst macht das sehr demütig.“ In was für einer Welt lebt der Bischof von Essen eigentlich? Er beschwört ein diffuses lebensbedrohliches Szenario herauf, als ob wir in einem hochgefährlichen Kriegsgebiet leben würden, wo wir jeden Augenblick ums Leben kommen könnten. Mit seiner unheilvollen Beschwörung kann er nur die Bedrohungen meinen, denen er einst als kleiner Franz-Josef durch seine Eltern wehr- und ausweglos ausgesetzt war. Diese Bedrohungen mussten für ihn völlig unvorhersehbar gewesen sein und deswegen eine ständige Gefahr bedeutet haben. Ein Entrinnen war absolut unmöglich. Anstatt zu fühlen, wie seine Eltern wirklich zu ihm waren, überträgt er blind das einst durch sie erfahrene Bedrohungsszenario auf den Rest der Welt. Offenbar lernte er zudem, dass er nichts wert wäre. Fatalerweise führte die Anpassung an das elterliche Diktat dazu, dass er sich schon als Kind für eine „begrenzte Person“ hielt. Seinen Eltern war es offenbar egal, wie sich der kleine Franz-Josef unter ihrem Diktat fühlte. Sie verkauften ihm perfiderweise ihr liebloses Verhalten als Liebe. Er durfte niemals seine Eltern so sehen, wie sie wirklich waren, geschweige denn ihnen seine wahren Gefühle zum Ausdruck bringen. Später als Bischof unterliegt er folgerichtig einer Wahrnehmungsstörung, die sehr „komplex“ zu sein scheint. In Wirklichkeit ist sie gar nicht komplex, wenn man die lebensgeschichtlichen Zusammenhänge klar sehen kann. Weil er aber die eigenen lebensgeschichtlichen Zuammenhänge nicht sehen kann, sagt er ohne die Spur eines Zweifels: „Als Christ und Bischof glaube ich an einen liebenden und barmherzigen Gott.“ 


So wie die Macht seiner Eltern ihm gegenüber als Kind grenzenlos war und er sich ihnen bedingungslos unterordnen musste, genauso findet er später als Erwachsener in Gott das allmächtige Wesen, dem er sich jetzt als Bischof bedingungslos unterordnen kann. Von diesem phantasierten Wesen meint er allen Ernstes, dass es ihn wegen seiner bedingungslosen Unterordnung liebe und zu ihm barmherzig sei.

 

Können wir wirklich von diesem Menschen etwas lernen, das uns weiterbringt?


© Michael Dressel, 31.7.2010