Todesangst

Es gibt die unterschiedlichsten Ängste, die ein Mensch haben kann. Die Todesangst ist wohl die schlimmste unter den menschlichen Ängsten. Sie entsteht meistens im zwischenmenschlichen Kontext aufgrund einer unmissverständlichen Todesdrohung durch einen anderen Menschen. Aber wie kann es dazu kommen, dass ein Mensch einem anderen mit dem Tode droht? Und was bewirkt die Todesangst beim bedrohten Menschen?

 

Den Zwang zur Lebensvernichtung habe ich bereits in verschiedenen Artikeln auf meiner Webseite erläutert: Der an Kindern unzählige Male verübte Seelenmord durch die eigenen Eltern macht aus ursprünglich unschuldigen Kindern menschliche Monster, die plötzlich dazu befähigt sind, andere Menschen umzubringen. Seelenmord bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die elterlichen Misshandlungen die Gefühle des Kindes pervertieren und in dessen Persönlichkeit destruktive Impulse einpflanzen, die es zuvor nicht hatte. Dies kann jedoch nur dann geschehen, wenn weit und breit kein zwischenmenschlich zugeneigtes Gegengewicht zum zerstörerischen Verhalten der Eltern vorhanden ist. Glücklicherweise haben die meisten Menschen ein solches Gegengewicht, weshalb sie nicht zu zerstörerischen Monstern mutieren.

 

Doch wie wir nunmehr überall auf der Welt beobachten können, gibt es viel zu viele Menschen, die als Kind von ihren Eltern erbarmungslos seelisch umgebracht wurden und deshalb als Erwachsene dazu befähigt sind, bedenkenlos andere Menschen umzubringen. Sie sind die Überlebenden eines bestialischen Martyriums in der primär prägenden Phase. Tragischerweise haben ihn viele Kinder nicht überlebt und werden nach ihrem gewaltsamen Tod als unschuldige Opfer betrauert. Mit einem solchen Mitgefühl können die überlebenden Kinder nicht rechnen. Im Gegenteil, sie werden später im Erwachsenenalter als Monster verabscheut. Doch sie kamen nicht als Monster auf die Welt. Vor diesem Hintergrund rückt meistens die wichtige Frage in den Hintergrund, was sie zu Monstern machte. Vor allem aber rückt die Frage in den Hintergrund, wer die Verantwortung für die Produktion dieser Monster trägt. Das bestialische Martyrium geschieht nämlich meistens im Geheimen hinter verschlossenen Türen. Daher tragen die überlebenden Kinder keinerlei Verantwortung dafür, dass sie als Erwachsene zu Monstern mutieren. Die Verantwortung dafür tragen allein die primären Bezugspersonen, also im Regelfall die Eltern. 

 

Die Todesangst hat in vielerlei Hinsicht extrem negative Folgen. Denn derzeit trauen sich viele Menschen nicht, angstfrei ihre Empörung über die vermehrt auftretenden religiös verbrämten Morde zu äußern. Genau das ist ja die unbewusste Motivation der Täter: Angst und Schrecken in der Bevölkerung zu verbreiten. So wie sie einst selbst als Kind den völlig unvorhersehbaren bestialischen Attacken ihrer Eltern ausgesetzt waren, genauso versetzen sie jetzt als Erwachsene die Bevölkerung in einen völlig unvorhersehbaren Terror durch ihre bestialischen Taten. Sie lernten schon sehr früh, dass sie das elterliche Diktat niemals in Frage stellen durften. Falls sie sich doch trauten, erlitten sie die Vernichtung ihrer restlichen genuinen menschlichen Persönlichkeitsanteile. Als Überlebende des seelischen Mordes in der frühen Kindheit mutieren sie im Erwachsenenalter zu menschlichen Monstern.

 

Wenn man sich die Gesichter solcher Menschen anschaut, dann erschreckt allein schon deren Anblick. Man könnte meinen, je furchteinflößender ihr Aussehen auf andere wirkt und je bestialischer sie die lebensvernichtenden Handlungen inszenieren, desto zufriedener scheint sie das zu machen.

 

Ihre ursprünglich als Kind zutiefst empfundene Liebe zu den Eltern, wurde durch die bestialischen elterlichen Übergriffe grundlegend pervertiert. Deswegen verbleibt bei solchen Menschen im Körpergedächtnis nur die zwischenmenschliche Erfahrung der erbarmungslosen seelischen Vernichtung. Die Todesangst, die sie als Erwachsene bei anderen Menschen schüren, ist das Erbe ihrer grausamen Eltern.

 

Dieser Prozess kann sich in dieser verheerenden Form nur bei uns Menschen entwickeln aufgrund unseres enormen Gefühlspotenzials, das kein anderes Lebewesen gleichermaßen auf unserer Welt hat. Die bestialischen Kindheitserfahrungen reifen im Erwachsenenalter zur puren Selbstverständlichkeit heran, soweit keine anderen positiven zwischenmenschlichen Erfahrungen gemacht werden. Solchermaßen geprägte Menschen stellen für ihre Mitmenschen die größte Gefahr dar. Ihnen mit Empathie begegnen zu wollen, würde einem Versuch gleichkommen, die Hände stundenlang unbeschadet über Feuer zu halten. Menschen, für die die Vernichtung zur banalsten Selbstverständlichkeit geworden ist, können m. E. nicht gerettet werden. In ihnen wurde alles genuin Menschliche vernichtet, weswegen sie die Lebensvernichtung mit jeder Faser ihres Daseins verinnerlicht haben. Doch als kleine abhängige Kinder waren sie genauso liebenswert wie jedes andere Kind auch. Deshalb darf der von ihren Eltern begangene Seelenmord niemals aus dem Blickfeld geraten. Er muss vielmehr bei jedermann die größte Empörung auslösen. Da jedoch unsere Gesellschaft den Seelenmord an Kindern meistens ignoriert bzw. als Selbstverständlichkeit bagatellisiert, sind Morde durch Menschenhand immer wieder möglich. Darum ist es das Wichtigste, die Entstehung der menschlichen Destruktivität klar zu erkennen und zu benennen. Es darf nicht immer wieder zu weiteren Opfern kommen, welche früher oder später zu Tötungsmaschinen mutieren, vor denen wir uns dann mit großem Aufwand schützen müssen. 

 

Die Todesangst erstickt uns Menschen, sie verhindert das unbeschwerte Leben absolut. Wir können nicht mehr frei atmen, uns nicht mehr angstfrei neuen Dingen oder anderen Menschen zuwenden. Nur wenn wir uns von den Menschen, die die Todesgefahr schüren, entschieden abwenden und uns gemeinsam vor ihnen schützen, ist wenigstens ein Leben ohne permanente Angst möglich.

 

© Michael Dressel, 1/2015