Wozu sind Kriege da?

Warum werden die Einen zu Mördern und die Anderen nicht? 

 

Kriege bedeuten Kämpfe des Guten gegen das Böse auf Leben und Tod. Wofür stehen aber das Gute und das Böse in Kriegen? Warum sterben meistens Männer bereitwillig für das Gute? Warum wollen sie das Böse gnadenlos vernichten? Warum gibt es aber auch Männer, die mit Kriegen nichts zu tun haben wollen?

 

Es beginnt wie immer am Anfang des menschlichen Lebens. Ein Kind ist von Natur aus darauf ausgerichtet, am Anfang des Lebens bedingungslos seinen Eltern zu vertrauen, d.h. sie zu lieben und von ihnen geliebt zu werden. Sein Leben hängt von ihnen vollkommen ab. Alles, was sie mit ihm anstellen, begreift es als lebensnotwendig, als ihre Liebe zu ihm. Wenn Eltern ihr Kind entgegen jeder Erwartung misshandeln bzw. verwahrlosen, was erschreckenderweise meistens der Fall ist, dann fasst das Kind mangels besseren Wissens die Misshandlung bzw. Verwahrlosung als die elterliche Liebe auf. Die Liebe erfährt deshalb eine völlig gegenteilige Bedeutung als die ursprünglich von Natur aus erwartete. Anstelle einfühlsamer Zuwendung und Fürsorge erfährt das Kind Misshandlung bzw. Verwahrlosung. Ausgerechnet die Menschen, die seine liebenden Eltern sein müssten, behandeln es auf scheußliche Weise. Trotzdem hofft das Kind inständig, sie nähmen eines Tages seine Bedürfnisse wahr und erfüllten sie. Es hofft, sie verwandelten sich eines Tages doch noch zu in liebenden Eltern. Deshalb richtet es sein Verhalten mit ganzer Kraft darauf aus, ihnen zu gefallen. Doch egal wie es sich anstrengt, seine Hoffnung bleibt meistens unerfüllt, denn die Eltern wissen nicht, was ihnen in der Beziehung zu ihrem Kind gefällt. Auch seine Bedürfnisse ignorieren sie, weil sie keine Vorstellung davon haben, was es in der Beziehung zu ihnen von Natur aus braucht. Liebe bedeutet für sie, dass es sich ohne zu murren ihrem Diktat anpasst. Erst dann ist es ihr braves, liebes Kind. 

 

Das Diktat der Eltern offenbart sich in ihrem rücksichtslosen, misshandelnden bzw. verwahrlosenden Verhalten. Fatalerweise verbindet das Kind wie selbstverständlich ein solches Verhalten mit Liebe, weil es nichts anderes kennt. Gleichzeitig hofft es, seine Eltern erfüllten irgendwann seinen angeborenen Drang nach einer glücklich machenden Bindung. Doch es hofft vergeblich, weil sie sich als liebesunfähig erweisen.

 

Ein nach Liebe ausgehungertes Kind ist im Übermaß darauf sensibilisiert, jede ihm entgegengebrachte Aufmerksamkeit als Hoffnungsschimmer für die elterliche Liebe aufzufassen. Seine Hoffnung bestärken die Eltern darin, indem sie behaupten, ihr Verhalten ihm gegenüber sei keine Misshandlung bzw. Verwahrlosung, sondern ganz im Gegenteil zu seinem Besten. Deswegen erzeugt auch das misshandelnde Verhalten beim Kind eine besondere Aufmerksamkeit, weil es damit Liebe erhofft.

 

Das Kind erlernt auf diese Weise die für sein gesamtes Leben prägende Lektion, die Eltern täten ihm gut, wenn sie es misshandeln bzw. verwahrlosen. Darum lebt es in einer total verdrehten und verlogenen Welt. In ihm verbleibt bloß ein Hoffen oder ein Warten auf Liebe, was mit erlebter und gelebter Liebe nichts zu tun hat.

 

Später als Erwachsener wird es im Kontakt zu anderen Menschen diesen grausamen Widerspruch, dass Misshandlung bzw. Verwahrlosung etwas Gutes wären, weiterleben und in einer völlig verdrehten und verlogenen Welt orientierungslos umherirren. Es sei denn, und hier entscheidet sich sein weiterer Lebensweg, das Kind erfährt durch andere Menschen Sympathie, einfühlsame Zuwendung, Erfüllung seiner natürlichen Bedürfnisse. Erst dann hat es eine Vergleichsmöglichkeit. Zum ersten Mal erlebt es Menschen, die sich ganz anders verhalten als seine gefühlspervertierten Eltern. Da das Verhalten der anderen Menschen seine natürlichen Bedürfnisse anspricht, fühlt es sich instinktiv von ihnen angezogen. Es spürt, dass sie richtig handeln. Die Welt erscheint ihm, in diesen Momenten wieder im Lot zu sein. Zumindest bekommt es eine Ahnung davon, welch freudvolle und schöne Seiten das Leben haben kann. Sein Körpergedächtnis enthält somit nicht nur die Erfahrungen der Misshandlung bzw. Verwahrlosung, sondern auch die der Sympathie, einfühlsamen Zuwendung, Erfüllung seiner natürlichen Bedürfnisse. Genau das macht den Unterschied aus, ob ein Kind ausschließlich aus seinen scheußlichen Erfahrungen heraus handelt, oder auch aus seinen guten. Allerdings hat es zu den Menschen, von denen es die guten Momente im Leben erfährt, eine nicht so enge Bindung wie die zu seinen gefühlspervertierten Eltern. Hierin liegt u. a. der Grund, weshalb man später enge partnerschaftliche Bindungen als lähmend und weniger enge als Genuss empfindet. Hierin liegt auch der Grund, weshalb man von seinem Partner in manchen Situationen als unfreundlich und gewalttätig, dagegen von Anderen meistens als sympathisch und freundlich erlebt wird.

 

Die beiden oben erwähnten grundverschiedenen Lebenserfahrungen, zum einen die von den gefühlspervertierten Eltern und zum anderen die von den fühlenden Menschen, haben zur Folge, dass sich der betroffene Mensch irgendwann zwischen diesen beiden grundverschiedenen Lebenseinstellungen entscheiden muss. Plötzlich hat er die Wahl zwischen dem Guten und dem Bösen. Doch diese richtungsweisende Wahl ist uns Menschen von Natur aus gar nicht angelegt, denn das Leben ist erklärtermaßen per se lebenszugewandt und deshalb immer gut. Darum fällt uns diese Wahl besonders schwer. Eigentlich können wir diese Wahl gar nicht treffen.

 

Der Normalfall sieht indessen folgendermaßen aus: Die meisten Kinder erfahren innerhalb ihrer Familien nicht ausschließlich Misshandlungen bzw. Verwahrlosungen. Wie bereits in der Einleitung dieser Webseite gesagt, erleben Kinder ihre Eltern zumeist auf höchst ambivalente Weise. Kalt- und warmherzige Momente wechseln sich ständig gegenseitig ab. Das Hin und Her zwischen den Extremen verwirrt das Kind zutiefst. Es erfährt keine Verlässlichkeit und weiß nicht, woran es bei seinen Eltern ist. Aus diesem Grund können sich kein Vetrauen und keine stabile Beziehung entwickeln. Später hat das schwerwiegende Konsequenzen zur Folge: Misstrauen, Unsicherheit, Minderwertigkeitskomplexe usw. Auch hier kommt es für den weiteren Lebensverlauf entscheidend darauf an, ob das Kind von anderen Menschen erfährt, dass Vertrauen und eine warme zwischenmenschliche Beziehung eindeutig und dauerhaft sein können.

 

Die oben genannten frühen Erfahrungen aus der Kindheit bestimmen unser Leben in jeder Hinsicht. Viele Menschen sehen auch in späteren Erfahrungen einen prägenden Einfluss. Oberflächlich betrachtet, mag das richtig sein. Doch diese Sichtweise ist in Wirklichkeit falsch. Denn die ersten Erfahrungen eines gerade neu geborenen Kindes sind etwas völlig anderes als die eines schon älteren, da die maßgebliche Entwicklung des menschlichen Gehirns in den ersten drei Lebensjahren stattfindet. Die Erfahrungen des älteren Kindes basieren auf den frühen Erfahrungen. Hiervon ausgenommen sind ausschließlich gute Erfahrungen. Da die guten Erfahrungen das natürliche Potenzial des Kindes ansprechen, können sie auch später eine Veränderung zum Guten bewirken. Die guten Erfahrungen entsprechen nämlich seinen naturgegebenen Bedürfnissen. Zu den naturgegebenen Bedürfnissen gehören: zu lieben und geliebt zu werden, der Drang zu lernen und zu helfen, Spaß und Freude gemeinsam mit Anderen zu erleben usw. 

 

Falsch ist ebenso die Behauptung, spätere schlechte Erfahrungen könnten die früheren guten zunichtemachen. Ein Kind, das wirklich von Anfang an Liebe erfährt, wird auf ganz natürliche Weise von seinen Emotionen und Gefühlen geleitet. Wenn es später schlechten Erfahrungen ausgesetzt sein sollte, teilen seine Emotionen und Gefühle ihm das unmissverständlich mit. Es kann sich deshalb ganz leicht von den schlechten Erfahrungen abgrenzen. Zwar wird es unter ihnen leiden, aber sie können niemals die Regie über sein Leben übernehmen. Es weiß einfach mit jeder Faser seines Körpers, wie das Leben richtig tickt. Als Erwachsener wird ein solches Kind nicht in Kriege ziehen. Sie widersprechen einfach seiner Natur. Es kann auch niemals zu einem Mörder werden.

 

Die Folgen der oben genannten frühen Lebenserfahrungen können so vielfältig sein, dass ich tausende Seiten darüber schreiben könnte. Darum beschränke ich mich darauf, was die Überschrift dieses Artikels vorgibt. Neben den Menschen, die zumindest teilweise gute Erfahrungen in ihrem Leben machten, gibt es leider viel zu viele unter uns, die als abhängiges Kind hauptsächlich Misshandlungen oder Verwahrlosungen erleiden mussten. Sie lernten, dass der zwischenmenschliche Kontakt entweder auf Gleichgültigkeit oder Vereinnahmung, auf Ohnmacht oder Macht, auf Verlieren oder Siegen beruht. Als abhängiges Kind hatten sie keine Wahl und mussten sich ihren allmächtigen Eltern bedingungslos unterwerfen. Die unerträglichen Schmerzen, die die Unterwerfung erzeugte, wurden jedoch von den Eltern völlig ignoriert, als ob es sie nie gegeben hätte. Darum geistern die von den Eltern ignorierten Schmerzen scheinbar grundlos im Körpergedächtnis des  Kindes herum. Die Folge davon ist deren Abspaltung von den Verursachern, den Eltern, was das abhängige Kind dazu befähigt, als Jugendlicher oder Erwachsener die Rollen einfach zu vertauschen. Aus der ohnmächtigen Rolle des abhängigen Kindes entschlüpft es in die Rolle der allmächtigen Eltern. Auf diese Weise verwandeln sich unschuldige Kinder in menschliche Monster. Möglich wird das, weil Kinder sich mit den allmächtigen Eltern total identifizieren und die Welt nur aus deren Augen sehen dürfen. Später im Erwachsenenalter ist ihr Leben mit Gleichgültigkeit, Hass und Vernichtung erfüllt. Für ihre Mitmenschen stellen sie die größte Gefahr dar, wie einst ihre Eltern für sie selbst. Der Krieg verspricht ihnen die sozialadäquate Abfuhrmöglichkeit ihres abgespaltenen, zerstörerischen Hasses.

 

Wenn Menschen mit den oben geschilderten desaströsen Kindheitserfahrungen keine eigenen Kinder haben, dann laufen sie womöglich als Massenmörder durch die Welt. Es fehlt ihnen das so leicht verfügbare Ventil für ihren abgespaltenen Hass: nämlich das eigene Kind. Ein Beispiel dafür war der Massenmord auf der norwegischen Insel Utøya. Die Ursache für diesen Massenmord war natürlich nicht die politische Einstellung des Täters. Die politische Einstellung war genauso Folgeerscheinung der einst erlittenen desaströsen Kindheitserfahrungen wie der Massenmord selbst. Geradezu typisch für besonders zerstörerische Taten ist, dass der Täter nichts von seinem Inneren preisgibt. Gefühle und Emotionen bleiben in seinem inneren Bunker hermetisch eingesperrt. Allenfalls verkündet er einen rationalen Überbau, der sein zerstörerisches Handeln rechtfertigen soll. Im Fall vom Amoklauf in Winnenden gab es noch keine Verkündung eines rationalen Überbaus. Dafür war der Täter noch zu jung, als dass sich dieser schon hätte ausbilden können.

 

Die Tyrannen aus den arabischen Staaten betrachten sich als gottgleiche Wesen. Ihre Macht ist so unendlich groß, wie die eines Gottes. Willkürlich vernichten sie Leben, wie es ihnen gerade passt. Welch unvorstellbares Grauen müssen sie als abhängige Kinder durchgemacht haben? Doch im Unterschied zu den beiden zuvor genannten Tätern haben die arabischen Tyrannen sehr wohl eigene Kinder. Deshalb müssten sie eigentlich in diesen das so leicht verfügbare Ventil für ihren abgespaltenen Hass finden. Da sie sich aber kaum selbst um ihre Kinder kümmern, dienen diese ihnen nicht zuallererst als das leicht verfügbare Ventil. An ihrer Stelle kümmern sich irgendwelche Bedienstete um sie. Ihre Kinder wachsen deshalb mit dem Selbstverständnis auf, den Eltern nie zu genügen. Welchen anderen Grund könnte es sonst aus der Sicht der Kinder geben, warum die Eltern sich nicht um sie kümmern? Das kann dazu führen, dass sie später noch grausamer als die Eltern werden, weil sie sich anstrengen, alles noch viel besser zu machen als diese, in der Hoffnung, irgendwann doch die elterliche Liebe dafür zu bekommen.

 

In den USA könnte sogar etwas völlig Unvorstellbares geschehen sein. Dort bestehen ernsthafte Zweifel, dass der Anschlag vom 11. September zum Einsturz der drei Hochhäuser führte. Jeder aufmerksame Beobachter konnte mit eigenen Augen beobachten, wie die drei Hochhäuser gesprengt wurden. Es reichte jedoch völlig aus, dass die höchsten Autoritäten der USA eine andere Version des Geschehenen verkündeten, um die Wahrnehmung der meisten Menschen zu vernebeln. Für die aufmerksamen Beobachter musste das höchst alarmierend gewesen sein. Denn was für einen Grund könnten die höchsten Autoritäten der USA für die falsche Version des Geschehenen haben? Da die Meisten von Kind an darauf gedrillt sind, den allmächtigen Eltern alles blind zu glauben, glauben wir später hochrangigen Autoritäten auch alles blind. Denn so wie es früher für uns als Kind unvorstellbar war, dass unsere geliebten Eltern unsere Feinde sein könnten, genauso ist es später für uns als Erwachsene unvorstellbar, dass sich die Regierenden gegen uns wendeten.

 

Die ultradestruktiven Anschläge der Täter gegen das Leben kommen so unvorhersehbar wie die grausamen Ausbrüche der Eltern gegenüber ihrem wehrlosen Kind. Ständig herrscht für das Kind die Gefahr, Opfer eines unvorhersehbaren Angriffs zu werden. Stets muss es auf der Hut sein, wobei es unter permanenter Anspannung steht. In diesem nie endenden Stress kann es begreiflicherweise seine wertvollen menschlichen Anlagen nicht weiterentwickeln. Später wird der nie endende Stress und die damit einhergehende Angst in seinen Gesichtszügen Spuren hinterlassen. Viel gravierender ist jedoch die daraus entstehende mentale Blockade, sich zu einem fühlenden, intelligenten Menschen zu entwickeln. Fühlende Menschen erkennen sofort den Zustand solcher Menschen und wissen, welche Gefahr von ihnen ausgeht.

 

Der weitere Verlauf des Lebens von Menschen, die den oben beschriebenen scheußlichen Erfahrungen als Kinder ausgeliefert waren, hängt davon ab, welche Art von Sündenböcken ihnen für ihren abgespaltenen Hass zur Verfügung steht. Entscheidend ist, ob die Sündenböcke als sozialadäquat oder als sozialinadäquat gelten. Die eigenen Kinder gelten ganz selbstverständlich als sozialadäquate Sündenböcke. Natürlich gibt das niemand öffentlich zu. Schließlich gehört es nicht zur menschlichen Natur, die eigenen Kinder zu misshandeln. Trotzdem sehen die Meisten darüber hinweg, wenn Kinder wie selbstverständlich von ihren Eltern misshandelt werden. Sollten die Misshandlung bzw. Verwahrlosung trotzdem einmal zu einem öffentlichen Thema werden, stellt man plötzlich wider der scheußlichen Wirklichkeit qua Gesetz den Schutz und das Wohl des Kindes in den Vordergrund. Natürlich schont man dabei um jeden Preis die schuldigen Eltern, weil sie seit jeher die Allmächtigen verkörpern. Allmächtige sind per se vor Schuldvorwürfen gefeit. Doch die Existenz des Gesetzes ist der Beweis, dass der Schutz und das Wohl des Kindes keine Selbstverständlichkeiten sind.

 

Im Grundgesetz steht diesbezüglich:

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen. (Art. 6 GG)

Die Verfasser des deutschen Grundgesetzes wollten offenbar nichts über die Gewalt gegen Kinder wissen. Als sie das Grundgesetz verfassten, war gerade die schlimmste Zeit der Menschheitsgeschichte vorbeigegangen. Offenbar wollten sie auch nichts darüber wissen, was die Vernichtung der unzähligen Menschenleben während der zwei Weltkriege ermöglichte. Als fühlende Menschen hätten sie nicht nur die Ahnung, sondern vor allem auch das Wissen darüber haben müssen. Doch in ihrem eingefrorenen Gefühlszustand formulierten sie bloß untaugliche Gesetze, wie das Leben ohne die gerade durchgemachte Hölle funktionieren solle. Zugleich kam aus ihrem Inneren eine Stimme an die Oberfläche, die von Frieden und Freiheit sprach. Aber die innere Stimme kam ihnen mittlerweile völlig fremd vor. Denn die Entfremdung von ihrem originären Wesen war bereits sehr weit fortgeschritten. Auf diese Weise konnten sie das Märchen vom eigenen Kinderglück erschaffen und völlig untaugliche Gesetze formulieren. Sie verbannten aus ihrem Gedächtnis die gerade vorbeigegangene schlimmste Zeit der Menschheit und ihre eigene desaströse Lebensgeschichte gleich mit dazu. Insofern verwundert es nicht, dass sie jedem Freiheitsgrundrecht zugleich einschränkende einfache Gesetze gegenüberstellten. Im juristischen Fachjargon heißt dieses Vorgehen bezeichnenderweise Schranke.

 

Eigentlich bräuchten Gesetze nur die ehemals misshandelten Kinder. Erschreckenderweise stellen diese die Mehrheit der Menschen dar. Ihnen lehrte das scheußliche Verhalten der Eltern genau das Gegenteil dessen, was ein Leben unter Menschen lebenswert macht. In dieser Hinsicht hat ein Gesetz einerseits die Funktion eines Gegengewichts zu den desaströsen Lehren der Eltern, obwohl es paradoxerweise von ihnen selbst formuliert wurde. Sicherlich waren die Verfasser des Grundgesetzes auch selbst Eltern. Sollten sie wider Erwarten keine Eltern eigener Kinder gewesen sein, so entstammten sie dem großen Heer von misshandelten bzw. verwahrlosten Kindern. Später als vermeintlich vernünftige Erwachsene formulierten sie Gesetze, um den Menschen verantwortliches Handeln aufzuzeigen. Insofern haben Gesetze auch eine Ersatzfunktion für die verschütteten Emotionen und Gefühle. Kann das funktionieren? Wie bereits schon mehrfach auf meiner Webseite gesagt, sind Emotionen und Gefühle dafür da, damit wir unser Leben gemeinsam mit unseren Mitmenschen produktiv gestalten können. Unsere Emotionen und Gefühle können sich jedoch nur dann optimal entwickeln, wenn wir Fürsorge und Liebe von unseren Eltern erfahren. Im Grundgesetz ist jedoch von der elterlichen Fürsorge und Liebe nichts formuliert. Stattdessen sind in ihm Lügen formuliert, die sich nicht sofort für jedermann erschließen. Nämlich die Lügen, dass leere Phrasen – also Gesetze – das Leben verbessern könnten. Wir sind von Kind an gewohnt, mit leeren Phrasen gefüttert zu werden, denn wie oft predigten uns unsere Eltern fromme Sprüche, die nichts mit ihrem tatsächlichen Verhalten zu tun hatten. Sie predigten uns, freundlich und rücksichtsvoll zu sein, gleichzeitig verhielten sie sich jedoch uns gegenüber total unfreundlich und rücksichtslos. Diese dissoziative Erfahrung hat zwangsläufig die totale Verdrehung der Wahrheit bzw. die totale Verlogenheit zur Folge. 

 

Laut Grundgesetz sei es das natürliche Recht und die obliegende Pflicht der Eltern, ihre Kinder zu erziehen. Die staatliche Gemeinschaft würde darüber wachen. Die Erfahrungen aus den beiden Weltkriegen hätte die Verfasser des Grundgesetzes eigentlich sehr alarmieren  müssen. Doch sie sprachen ausgerechnet den Menschen, die die beiden ultradestruktiven Kriege möglich machten, ein natürliches Recht auf Kindererziehung zu. Deren eigene Eltern hatten in ihnen ja den abgespaltenen Hass verursacht, der zur millionenfachen Menschenvernichtung führte. Die beiden Weltkriege dienten ihnen als das lang ersehnte sozialadäquate Ventil für ihren abgespaltenen Hass. Selbstverständlich war ihnen das nicht bewusst. Deswegen verbrämten sie die beiden Weltkriege als die notwendige Verteidigung des Vaterlandes. Die ehemals schwer misshandelten Kinder opferten sich bereitwillig für die Verteidigung des Vaterlandes. Dass sie damit den vergeblichen Kampf um die Liebe ihrer Eltern fortsetzten, blieb ihrem Bewusstsein völlig verborgen. Falls sie doch den Krieg überleben sollten, verhielten sie sich anschließend total schweigsam. Wer kennt nicht den stummen Großvater, der nichts über seine Kriegserlebnisse erzählen wollte. Hätte er wahrheitsgemäß von seinen Kriegserlebnissen erzählt, wäre er uns als das abscheulichste Monster vorgekommen. Er hätte uns erzählt, wie er bedenkenlos Männer umbrachte oder Frauen vergewaltigte und ihnen nach der Vergewaltigung eine Kugel in den Kopf schoss oder Kinder von ihren Müttern gewaltsam trennte und einem qualvollen Tod überließ. Wie konnten die Verfasser des Grundgesetzes solchen Menschen ein natürliches Recht auf Kindererziehung zusprechen? Sie selbst standen vermutlich auch inmitten dieser Vernichtungsorgie, die verharmlosend Weltkrieg genannt wird. Doch sie standen in der Hierarchie der Vernichtungsorgie viel weiter oben als das niedere Fußvolk, das die schmutzige Vernichtungsarbeit leisten musste. Sie erteilten von oben Befehle und machten sich dabei die Hände nicht schmutzig. Ihre Eltern hatten ihnen offenbar vorgelebt, dass ihre soziale Position es zuließ, Untergeordnete als Werkzeug für ihren abgespaltenen Hass zu gebrauchen.

 

Eine ebenso große Lüge ist, dass die staatliche Gemeinschaft über das elterliche Erziehungsrecht wachen würde. Gerade die zahlreichen Fälle der Kindestötung beweisen das Gegenteil. Statistisch werden in Deutschland jede Woche drei Kinder von den eigenen Eltern umgebracht. Weder die Nachbarn noch das zuständige Jugendamt haben Antennen dafür, wenn Eltern ihre Kinder zu Tode quälen. Vor diesem Hintergrund klingen die Gesetze des Bürgerlichen Gesetzbuches, namentlich die Paragraphen §§ 1627, 1631 I BGB, wie purer Hohn. Sie besagen, das Kind habe ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Doch wie kann man Gewaltfreiheit und Schutz vor tödlichen Übergriffen für ein wehrloses, ahängiges Kind rechtlich erwirken? Wenn Strafgesetze das noch nicht einmal für Erwachsene erwirken können, dann können das erst recht nicht zivilrechtliche Ansprüche, die noch nicht einmal abschreckende Sanktionen beinhalten. Gesetze können keine verschütteten Emotionen und Gefühle ersetzen. Sie verwandeln Menschen nicht plötzlich in fühlende, verantwortungsbewusste Persönlichkeiten. Gesetze sind somit nichts Anderes als untaugliche Prothesen für die verschütteten Emotionen und Gefühle. Das Dilemma liegt vor allem darin, dass ausgerechnet die Menschen Gesetze zum Schutz und Wohl des Kindes formulieren, die sich nicht im Geringsten von den misshandelnden Eltern unterscheiden. Im § 1631 BGB werden bezeichnenderweise die Eltern als in Frage kommende Gewalttäter gegenüber dem Kind überhaupt nicht genannt. In den anderen Gesetzen wird so getan, als ob das Kind mit seinen Eltern über die optimale Eltern-Kind-Beziehung frei verhandeln könne. Der Gesetzgeber betrachtet alles nur aus den Augen der Eltern. Die Position des Kindes erscheint ihm dagegen total unwichtig. In dieser Hinsicht verkörpern die Gesetze die gleiche Verlogenheit, wie sie das Kind seit jeher von seìnen allmächtigen Eltern erfährt.

 

Zum Glück machen die meisten Menschen auch gute Erfahrungen entweder innerhalb oder außerhalb ihres Elternhaus. Wegen der guten Erfahrungen entsteht in ihnen die Ahnung, wie schön das Leben sein kann. Diese Ahnung nährt begreiflicherweise den Wunsch, stets das schöne Leben zu führen. In uns Menschen steckt eben das naturgegebene Bedürfnis nach glücklich machenden zwischenmenschlichen Beziehungen. Hierfür sind gemeinsamer Spaß und gemeinsame Freude der sinngebende Antrieb des Lebens. Aufgrund der positiven Erfahrungen werden wir zumindest keine Mörder. Dennoch können wir Soldaten werden, weil der Kampf im Namen des Guten uns das zukünftige schöne Leben verspricht. So wie wir einst vergeblich um die Liebe unserer Eltern kämpften, genauso meinen wir jetzt als Erwachsene, für das Gute im Krieg kämpfen zu müssen. Nur ehemals geliebte Kinder, oder Menschen, denen es bewusst geworden ist, wie ihre geliebten Eltern sie in Wirklichkeit geschadet haben, werden nicht zu Soldaten. Sie können das Böse ganz genau vom Guten unterscheiden. Das Gute zieht sie unwiderstehlich an. Sie wissen als Erwachsene, dass der Kampf für das Gute, als sie noch abhängige Kinder waren, völlig aussichtslos war. Entweder war das Gute da oder nicht. Es war da, wenn Eltern es vorlebten, indem sie Liebe geben konnten! Dann werden Kinder später weder zu Soldaten noch zu Mördern.

 

© Michael Dressel  10/2011

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